„Du sollst...“ im Interview mit Dominik Reding. Der Berliner Drehbuchautor hat mit seinem Zwillingsbruder Benjamin den Kinofilm „Oi!Warning“ gedreht. Ein Film, der in der Skinhead-Szene sowohl auf Begeisterung, als auch auf heftige Ablehnung stößt. Einerseits vermittelt er die Faszination des Skinhead-Jugendkults, zeigt auf der anderen Seite aber auch die Härte und Gewalt in der Szene. Die mag so manchem vielleicht überzogen oder konstruiert erscheinen. Auf jeden Fall kommt „Oi!Warning“ ohne jegliche Anspielung auf rechtes Gedankengut aus.
Thomas, der Webmaster dieser Homepage, konnte mit Dominik in Berlin dieses spannende Interview führen.
DSSNMNV: »Dominik, viele Leute verbinden Skinheads mit Rechtsradikalismus. Ich verbreite mit meiner Homepage ja die Auffassung, dass so genannte „Nazi-Skins“ gar keine Skinheads sind, weil sie von den Roots keine Ahnung haben. Das Kinopublikum hat doch nun bestimmt erwartet, dass in Oi!Warning auch braunes Gedankengut auftaucht. Und genau das passiert eben an keiner einzigen Stelle in Eurem Film. War Euch das wichtig? Und wenn ja, warum?«
Dominik: »Also erst mal muss ich Dir widersprechen. Auch als ich Deine Seite gelesen habe, da habe ich mich schon ein bisschen geärgert, denn so einfach kann man sich das nicht machen. Ich kenne ein paar rechte Glatzen, Nazis zwar nur vom Lesen, aber rechte Glatzen mit extrem rechten Gedankengut - da kenne ich ein paar persönlich. Und die würden tausendprozentig für sich in Anspruch nehmen, eine korrekte Glatze zu sein! Die wären sauer, die würden Dir eine scheuern, wenn Du denen sagen würdest, sie wären keine Glatzen oder keine richtigen Skinheads. Diese Definitionen, das ist immer eine Frage der Perspektive. Die selbst sind hundertprozentig davon überzeugt, dass sie die korrekten Skinheads sind. Klar, nicht jeder Skinhead ist ein Nazi! Aber es gibt durchaus eine Menge Glatzen, die sich als Skinheads sehen, und auch schnell mal Gewalt anwenden. Auch ideologisch! Du kannst Dich in der Kneipe kloppen, weil man Dir die Freundin ausgespannt hat - das gibt es immer. Aber es gibt eben auch Gewalt, die ideologisch motiviert ist. Weil jemand schwarze Haut hat oder türkisch aussieht. Glatzen also, die sich damit vielleicht auch goldene Lorbeeren bei ihren Kumpels verdienen wollen.«
DSSNMNV: »Und genau deshalb spreche ich diesen Leuten ja die Eigenschaft eines Skinheads ab. Schließlich ist es widersinnig, sich für schwarze Musik zu begeistern und diesen Leuten aus ideologischen Gründen die Fresse zu polieren. Aber nun zum Film. Warum gab es überhaupt keine noch so kleine Anspielung auf das Thema „Faschos“?«
Dominik: »Wir wollten ganz klar, dass die Leute in Oi!Warning nicht das Klischee von rechten Glatzen serviert bekommen. Das wäre für die Zuschauer zu einfach: Oben auf der Leinwand, das sind die Nazis - der hat dann meinetwegen Adolf oder Rudolf Heß an der Wand hängen. Und ich Normalbürger habe nicht den Heß an der Wand hängen und lese auch nicht „Mein Kampf“. Und deshalb bin ich ein besserer Mensch und habe mit allem, was da oben auf der Leinwand passiert, nichts zu tun. Und genau das wollten wir nicht. Wir wollten, dass die Zuschauer ab und zu das Gefühl haben sollten, so wie die Leute auf der Leinwand zu sein, unter dem Motto: „ich bin gar nicht so weit von denen weg!“. Deshalb haben wir diese rechte Geschichte ganz rausgelassen. Damit es nicht so leicht ist für den Otto-Normalverbraucher, zu sagen, dass man besser wäre als die.
DSSNMNV: »War der Film letztendlich eine Art Werbung für die Skinheadszene? Wolltet Ihr die Szene in ein positives Licht rücken?«
Dominik: »Nee, Werbung war nie der Gedanke. Aber ich dachte schon, dass die Skins mit dem Film besser klar kommen! Ich war sehr überrascht, wie negativ Oi!Warning in der Szene ankam. Ich weiß, dass sie ihn alle geguckt haben, und wenn es heimlich unter der Bettdecke war. Aber was ich an Kritik so mitbekommen habe, da wird schon klar, dass die Skins den Film zu 90 Prozent ablehnen. Was absolut nicht akzeptiert wurde, durchgängig von linker Redskin-Glatze bis eben hin zum Nazi: Das war diese Kuss-Szene im Schlamm zwischen Zottel und Janosch. Das ging für die Skinheads, die heterosexuellen Skinheads, absolut gar nicht! Damit sind sie übrigens weit hinter der gesellschaftlichen Norm! Inhaltlich wurde über den Film gar nicht mal so diskutiert, aber die Ablehnung war fast immer mit der Kuss-Szene verbunden.«
DSSNMNV: »Alles, was auch nur im Entferntesten mit Schwulsein zu tun hat, ist bei Skinheads verpönt. Vor allem Gayskins sind verpönt, die oft als Fetisch-Glatzen ausgelacht werden. Und gerade in diese Kerbe habt Ihr reingehauen...«
Dominik: »Natürlich spielt das bei Skinheads eine Rolle, „schwul“ kann man nie ganz ausblenden. Das fängt beim Anglerverein an und hört bei Skinheads als Extremform auf. Da hocken Männer alleine für sich rum und Frauen spielen eine völlig untergeordnete Rolle. Ich kenne natürlich auch Renees, die ganz anders sind. Aber an sich ist die Frau nie das Zentrale in der Szene. Das Zentrale ist das gemeinsame Abhängen mit Kumpels: Auf dem Konzi, in der Kneipe oder zu Hause beim Videogucken. Irgendwo fängt es dann halt an, schwul zu werden. Wenn man jedes oder jedes zweite Wochenende zusammen mit seinen Kumpels abhängt, anstatt wie alle anderen in die Disse zu gehen, wo die netten Sekretärinnen sind, die man abschleppen kann? Manche denken ja dann doch mal über sich nach... und vielleicht entsteht auch gerade deshalb diese enorme schwule Angst in der Szene. Also ich fände das albern, einen Film über Skinheads zu machen und das Thema schwul auszuklammern. Das wäre wirklich lächerlich. Das können die Skinheads so behaupten, aber ich brauche das nicht als Drehbuchautor.«
DSSNMNV: »Gab es auch Morddrohungen?«
Dominik: »Ja - damals, als der Film gerade rauskam. Da kochte das alles hoch. Wenn Du ins Kino gehst und das nicht der Film ist, den Du erwartet hast, dann bist Du erst mal schockiert! Und das kanalisiert sich dann in E-Mails zu unserer Homepage, wie „ich bring Euch um“ und so was. Aber angegriffen hat uns letztendlich niemand. Ein Darsteller allerdings, der arme Zottel, dem wollten einige Skinheads mal was auf die Nase geben. Allerdings kann der Zottel im richtigen Leben selber ganz gut zuhauen und hat sich gut gewehrt.«
DSSNMNV: »Ihr habt eine ganze Reihe von Diskussionsveranstaltungen gemacht. Wie lief das ab? Völlig stressfrei?«
Dominik: »Benjamin und ich haben rund 150 Veranstaltungen zu Oi!Warning gemacht. Einige mussten wir allerdings auch absagen. In Jena z.B., da gab es ärger - ich war selbst allerdings an dem Abend nicht dabei. Da waren ein paar Glatzen, die waren sauer, und machten voll das Trara. Der Verleih war dann ängstlich und hat einige Veranstaltungen im Osten abgesagt, weil die Sicherheit für uns als Regisseure wohl nicht mehr gewährleistet werden konnte. Und in teure Bodyguards wollte der Verleih nicht investieren. Aber wir haben auch viele Veranstaltungen selber gemacht, die der Verleih selbst nicht organisiert hat. Und die habe ich auch wahrgenommen. Von Guben bis Rostock bin ich gewesen und es waren auch immer Glatzen da. Und die waren friedlich.«
DSSNMNV: »Gab es eigentlich große Diskussionen um den Schluss des Films? Wie realistisch der ist und ob es vielleicht später noch mal eine Version mit einem alternativen Ende gibt?«
Dominik: »Das ist schwer zu sagen, was nun realistisch ist und was nicht. Wir hatten ja sogar einen Darsteller, der tatsächlich ermordet wurde - zwei Monate vor Drehbeginn. Am Ende von Oi!Warning hatten die Morde ja sogar noch ein Motiv. Es waren zwar blöde Motive, und es gibt ja auch keine wirklich guten Motive für einen Mord. Bei Oi!Warning gab es am Schluss dann zumindest so eine Art Motiv. Und bei unserem Darsteller, der vor Drehbeginn umgebracht wurde, gab es auch nur ein blödes Motiv: Er war Punk und jubelte bei einem TV-Fußballspiel Deutschland gegen Jugoslawien in einer Kneipe für die Jugoslawische Mannschaft. Und ein deutscher „Stino“, ein stinknormaler Typ, meinte, ihm eine Bierflasche durchs Gesicht zu ziehen. Der traf dann seine Halsschlagader und dann ist er verblutet. Wir hatten für den Film ursprünglich verschiedene Varianten für den Schluss entwickelt. Aber als dieser Totschlag dann zwei Monate vor Drehbeginn passierte, haben wir „Nein“ gesagt: Denn wenn Leute im echten Leben wirklich so sterben, dann werden wir den Film auch so hart enden lassen. Dass die drei Jungs in dem Film am Ende nicht Hand in Hand im Sonnenuntergang stehen, war eh von vorn herein klar.«
DSSNMNV: »Wie habt Ihr den Koma als Darsteller gewonnen? Der ist ja im wirklichen Leben gar kein Skinhead. Trotzdem hat er die Rolle, auch aus Eurer Sicht, ja super gespielt.«
Dominik: »Wir haben ganz normale Castings gemacht. Aber den Koma, den Simon Goerts, den haben wir einfach auf der Straße angesprochen. Er war Laie, also nicht auf der Schauspielschule. Heute hat er ziemlich lange Haare. Damals als wir ihn trafen, hatte er aber kurze.«
DSSNMNV: »Und wie war das bei Sascha Backhaus, der den Janosch gespielt hat? Der ist im Film ja erst mit langen, und dann mit kurzen Haaren zu sehen.«
Dominik: »Wir haben den einfach gebeten, sich die Haare wieder wachsen zu lassen. Der war Sänger in einer Hamburger Punkband. Den habe ich in der Hafenstraße auf einem Konzert gesehen. Der wirkte noch relativ jung, hatte aber auch eine gewisse Reife. Wir hatten immer so ein bisschen die Sorge, dass der Film zu päderastisch wirkt. Die Kiddies durften nicht zu jung sein. Das wäre für die Szene zwar realistischer gewesen, denn die meisten Skins sind ja so zwischen 14 und 18. Also hätten die im Altersdurchschnitt eigentlich jünger sein müssen, als sie in Oi!Warning dann wirklich sind. Koma wirkt im Film so wie 25, 26. Und Janosch wirkt so als 17- bis 19-jähriger. Da hatten wir noch Glück, weil er jünger aussieht als er in Wirklichkeit ist.«
DSSNMNV: »Welche Altersbeschränkung hat der Film denn? Gab es Diskussionen mit der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle?«
Dominik: »Wir hatten Glück! Ich bin damals noch selbst zur FSK nach Wiesbaden gefahren. Wir wollten nämlich unbedingt, dass Hauptschüler den Film noch sehen können. Und das möglichst auch noch im Schulunterricht. Und deswegen musste die FSK mindestens bei 14 liegen. Diese Stufe gibt es aber nicht - es gibt nur 12, 16 und 18. Und wir haben deshalb dann um die 12 kämpfen müssen. Gott sei dank hat die FSK, die oft sehr hart ist, dann auch ihr Okay geben, weil man dort auch der Meinung war, dieser Film sei wichtig für junge Leute.«
DSSNMNV: »Warum ist Oi!Warning schwarz-weiß?«
Dominik: »Also eigentlich ist schwarz-weiß zu machen, bekloppt! Einerseits tun sich die Verleiher damit schwer, andererseits bekommt man auch weniger Geld dafür. Aber wir hatten Tests in Farbe und in schwarz-weiß gedreht. Und dann festgestellt, dass schwarz-weiß zu dieser Geschichte einfach besser passt. Für das Blut haben wir übrigens nicht rotes Theaterblut genommen, sondern dunkelblaues. Das sieht in schwarz-weiß sehr glaubwürdig nach richtigem Blut aus. Und gefilmt haben wir mit einem Kodak-s/w-Film. So wie anno tobak. Was übrigens auch wieder viel teurer war als wenn wir einen normalen Farbfilm gemacht hätten.«
DSNMNV: »In welchem Jahr spielt der Film?«
Dominik: »Das ist unbestimmt. In dieser Szene ändert sich nicht soviel, die Skinhead-Szene ist sehr statisch. Letztlich kann das irgendwann spielen zwischen 1990 und 2000. Die ersten Skinheads in Deutschland gab es ja erst so 1981, wenn ich mich da richtig erinnere.«
DSSNMNV: »Und warum habt Ihr in Dortmund, mitten im Ruhrpott, gedreht? Leipzig wäre doch bestimmt auch ein gutes Pflaster gewesen.«
Dominik: »Oh, da haben wir aber eine ganz andere Szene! Da kann ich mir das als Drehbuchautor nicht so leicht machen und das Rechte völlig ausklammern. Du kannst in Leipzig keinen Film machen, wo Rechts nicht auftaucht. Skinheads sind ja z.B. im Internet enorm gut vertreten. Und wenn Du dann mal so auf private Homepages guckst: Bei „West-Skins“, wenn Du da mal SKREWDRIVER oder Endstufe siehst... oder so Ska-Nummern..auf EINER Seite, das ist ganz, ganz selten! Im Osten ist das völlig normal! Dass da Madness gemischt wird mit Endstufe, und dann kommt wieder was von einer Punkband. Oder von einer rechten Punkband sogar. Ska ist ja „black and white united“ - und das mischen die dann mit echten Fascho-Bands. Die ja nichts anderes tun, als dazu aufrufen, genau diese Leute umzubringen. Das ist vielleicht das schizophrene an der Skinszene, weil die Selbstreflexion so klein ist.«