Der Webmaster dieser Seite in einem virtuellen „Interview mit sich selbst“:
Welche politische Einstellung hast Du als Skinhead?
»Ich kann nicht sagen, dass ich unpolitisch bin. Ich interessiere mich zwar nicht besonders für Politik, gehe aber immerhin regelmäßig zur Wahl und verfolge auch einigermaßen die Tagespolitik. Nein, ich wähle keine rechte Partei! Auch wenn ich meist eine Partei wähle, die oft an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert - es ist schlicht und einfach die F.D.P. Weil die aus meiner Sicht am wenigsten polemisch ist. Mich stört, dass das Wort „unpolitisch“ oft als „unverdächtig“ mißbraucht wird. Okay, so gesehen wäre ich dann wirklich unpolitisch. Seit 2005 engagiere ich übrigens als Wahlhelfer. Klingt voll langweilig, aber wisst Ihr was das für ein Spaß ist? Da sitz ich nun mit meinem britischen Hemd und den Hosenträgern... und hake fein säuberlich die Wahllisten ab. Abends, bei der Auszählung, kommt dann eine Kiste Bier auf den Tisch und aus Scherz ruf ich dann immer in den Raum, dass alle NPD-Zettel zu mir sollen ;-)) Lustigerweise kann man die meist an einer Hand abzählen.«
Und warum schreibst Du auf Deiner Startseite, dass Du nichts gegen eine „gesunde rechte Einstellung“ hast? Wie soll man das denn verstehen?
»Es gibt zu viele Aufgeregtheiten um das Wort „rechts“. Ich sehe mich als rechtsliberal, also als Vertreter der politischen Mitte, mit einem leichten Schlenker nach rechts. Mit alternativen Ansichten oder Öko-Gehabe will ich einfach nichts zu tun haben. Mir bedeutet die Sicht auf die ungeschönte Wirklichkeit sehr viel. Es ist meiner Meinung nach völlig okay, wenn jemand sachlich über Ausländerproblematiken diskutiert und die Meinung vertritt, dass ein weiterer Zuzug von Ausländern gestoppt werden müsse (was ausdrücklich nicht meine überzeugung ist). Ärgerlich werde ich nur immer dann, wenn pauschal sämtliche Ausländer als Feinde angesehen oder gar nur ihrer Herkunft oder Hautfarbe wegen gehetzt werden. Das wäre plumper Rassismus, für den ich kein Verständnis habe. Außerdem: Was würden meine ausländischen Freunde dazu sagen? Der Pole, der Türke, der Russe, und der tiefschwarze Afrikaner? Ich finde es völlig normal, diese Nationalitäten um mich rum zu haben. Obwohl der Afrikaner nur ganz beschissenes Deutsch spricht: Wir kommen schon klar damit und haben Spaß! Witzig finde ich, dass wir untereinander sogar unvoreingenommen mit den Vorurteilen spielen dürfen. Kommt schon mal vor, dass die mich (aus Spaß!) als Nazi bezeichnen - weil es äußerlich so gut passt. Der Türke wird von mir auch schon mal als „Kameltreiber“ tituliert und dem Polen ruf ich hinterher, dass er mir nicht ständig meine Sachen klauen soll. Den Russen zieh ich mit seinem schlechten Deutsch auf und dem Schwarzen hab ich schon mal eines Nachts im Klub gesagt: „Alter, Du bist ja so schwarz, Dich sieht man hier ja kaum“. Klar, das kann ich nicht mit jedem machen - aber diese Leute kenn ich nun mal gut und das ist unsere Art von Humor. Das ist nie böse gemeint.
Hier ein paar Beispiele meiner „gesunden rechten Einstellung“: Da ist zum einen das Ladenschlussgesetz. Ich finde: Das ist so überflüssig ist wie die Eier vom Papst! Was beschweren sich auch die Gewerkschaften? Das Ladenschlussgesetz ist nie dazu gemacht worden, um Arbeitnehmer zu schützen. Der Staat darf sich nicht überall einmischen. Und schon gar nicht vorschreiben, wann ALDI & Co. die Pforten schließen müssen. Nächstes Beispiel: Sozialhilfeempfänger. Die werden bei Arztbesuchen so wie Privatpatienten behandelt, weil sie eben keine Kassenpatienten sind wie ich. Auch Arbeitslose könnten ruhig etwas härter angepackt und verpflichtet werden, auch niedrigere Arbeiten anzunehmen. Zu viel Sozialstaat ist nun auch nicht gut - jedenfalls nicht aus Sicht derjenigen, die wirklich hart arbeiten. Was so ganz nebenbei auch der Ideologie eines working-class-Skinheads entspricht. Die Hartz-IV-Gesetze gehen da schon in die richtige Richtung.«
Und was sollen die kurzgeschorenen Haare, die Stiefel und die Bomberjacke?
»Das ist pure Politik, eine innere Einstellung, kurzum: eine Attitüde. Ich will anders sein als der Mainstream, und ganz bewusst mit rüden Klamotten auch anecken. Ich will nicht ins Raster passen, mich nicht den spießigen Muss-Gepflogenheiten der feinen Gesellschaft hingeben. Ich will Spaß, Bier, schlampig rumlaufen. Oder auch mal smart - ganz nach Laune. Die Skinhead-Klamotten lassen dafür sogar sehr viel Spielraum. Man kann rüde mit dreckigem Shirt, Hosenträgern und Boots durch die Straßen ziehen oder auch mit ner sauberen Levis, einem gut gebügelten Hemd mit zierlichem Fred-Perry-Logo und einer Harrington-Jacke. Eins aber bleibt: Selbst im smarten Outfit ist man für jeden als Skinhead erkennbar. Das gilt auch, wenn ich dienstlich als Journalist im Berliner Reichstag auf der Pressetribüne sitze. Unvorstellbar? Nein, für mich ist das der Alltag. Genau so wie das Rumgammeln zu Hause vor dem Fernseher - mit Boots statt Filzpantoffeln. Wenn ich besoffen bin, schlafe ich auch damit. Und ich weiß, dass ich in solchen Nächten nicht der einzige damit bin.
Ich kann mit der spießigen Gesellschaft nun mal nichts anfangen. Ich mag es cool und locker, ein bisschen abgefahren, gehe mit viel Spaß durchs Leben und habe dadurch meinen eigenen „way of life“. Ich weiß, die Ausstrahlung ist härter. Eben ein bisschen rebellisch. Selbst wenn ich mit meinen heißgeliebten Turnschuhen unterwegs bin. Aber ich bin freundlich zu jedem. Nur blöd darf mir keiner kommen, dann gibt's von mir auch schon mal rüde Widerworte. Trotzdem darf mir jeder eine Portion Intelligenz zutrauen, zu einem Skinhead gehört mehr als sich die Haare abzusäbeln und ein Fred-Perry-Polo überzuziehen.«
Stehen Skinheads in ihrer Szene nicht ständig unter Gruppenzwang?
»Ja. Viele beäugen sich bis aufs kleinste Detail und versuchen auch manchmal, dem anderen das „Skinhead-sein“ abzuerkennen. So wie ich das mit dieser Homepage ja auch mache: Ich behaupte hier, dass Nazi-Glatzen keine Skinheads sein können. Obwohl gerade die von sich 100%ig überzeugt sind, die korrekten Skins zu sein. Nur spricht die Geschichte eine andere Sprache. Da gibt es keine Toleranz.
Aber ich muss auch selbstkritisch sein. Ich habe ja selbst einige Macken an mir, die nun ganz und gar nicht Skinhead-like sind. Ich bin Deutscher und kein Engländer, außerdem zu jung um zu behaupten, ich sei ein Original-Britischer „spirit-of-´69er“. Auch zur Arbeiterklasse gehöre ich nicht. Aber: Ich habe große Sympathien für Leute, die „zur Maloche“ gehen. Mein Großvater war Bergmann, und als Kind habe ich viel von seinem beschwerlichen Arbeitsleben auf der Zeche mitbekommen und war auch ein paar Mal bei ihm auf der Arbeit. Ich habe zwar nie selbst nachts unter schweißtreibenden Bedingungen in Kohleflözen geschuftet, mich aber als Journalist sehr für die Belange der Kumpels unter Tage eingesetzt. Immerhin weiß ich, wie es bei den Bergleuten zugeht und bin auch einige Male selbst als schwarzer Mann wieder den Schacht heraufgefahren.«
Hörst Du auch Ska, Reggae und Oi-Musik?
»Ja klar triffst Du mich auf solchen Konzerten. Sogar bei der „Antifa“. Das soll aber nicht heißen, dass ich ein Antifa-Anhänger wäre! Gott bewahre ;-) Ich bin liberal und will das auch bleiben. Aber die Antifa hat halt öfter Ska- und Reggae-Konzis im Programm und warum soll ich da nicht hingehen? Auf meiner Festplatte habe ich eine ziemlich umfangreiche Sammlung so genannter Skinhead-Musik. Auch Loikaemie und Endstufe. Musikalisch fall ich aber auch oft auch aus dem Rahmen - weshalb ich von anderen Glatzen auch öfters mal blöd angemacht werde. Denn ich steh nun mal auch auf progessive Sounds und basslastigen Goa. Ich kanns nicht ändern, es ist so - und ich bin ich. Das sorgt in entsprechenden Klubs zwar dauernd für ärger mit der Security, andererseits aber auch für interessante Gespräche. Zum Glück habe ich in Hannover und Berlin Klubs, in denen es keinen Stress gibt - auch nicht mit Türstehern, denn die kennen mich schon und vertrauen mir: Ohne Durchsuchung. Gerade ich werde an der Tür einfach so durchgewunken.«
Und Bier? Man sagt, Skinheads lieben alkoholische Exzesse...
»Ja, das stimmt. Ich trinke am liebsten Bier aus der Dose, weil es einfach Kult ist! Bier, Bier, Bier... das geht palettenweise bei mir durch. Scheiß Dosenpfand! Nix mehr mit Dosen-durch-die-Straßen-kicken. Die letzte von mir zertretene pfandfreie Dose kann man in meinem Wohnzimmerschrank bewundern ;-) Auf vielfachen Wunsch hier ein Foto davon.«
Was ist mit der Gewaltbereitschaft? Schlägst Du Dich gerne?
»Nö, ich schlage mich überhaupt nicht gerne. Das ist auch so ein Klischee, das Skinheads gerne nachgesagt wird. Okay, es ist eine außerordentlich rüde Art und Weise, wie man durchs Leben geht - und man muss mit vielen Vorurteilen leben. Ich kenne viele Glatzen, die genau so wie ich so gut wie nie mit Fäusten provoziert haben. Klar: Es gibt viele gewaltbereite Skinheads - keine Frage. Aber Stresser gibt es in anderen Szenen genau so (ich meine besonders Türken und Russen). Als Skinhead bist Du in den Augen vieler der Agressor Nummer eins und wirst nur als Hitzkopf wahrgenommen. Dabei sollte sich jeder mal klar darüber sein, dass man als Skinhead auch total angreifbar und sogar verletzlich ist wenn man nachts alleine durch die Straßen poltert. Das ist genau so wie bei Spinnen. Jeder meint, man könnte sie packen und durch die Luft schleudern. Weil sie so abscheulich aussehen und dann eh weiter krabbeln. Die Wirklichkeit ist eine andere. Spinnen sind sehr verletzlich! Ich habe selbst fast 20 Vogelspinnen im Wohnzimmer. Man sollte sie lieber in Ruhe lassen und nur beobachten. Was kaum jemand weiß: Wenn die Tiere aus einem Meter Höhe fallen oder zu Boden geworfen werden, sind sie in aller Regel lebensgefährlich verletzt und verenden innerhalb weniger Minuten. Allerdings haben Vogelspinnen eine gefährliche Waffe: Sie können ganz heftig beißen, wenn man ihnen blöd kommt und sich mit diesen artgeschützen Exoten nicht auskennt.
So halte ich es auch und betreibe sehr intensiv eine chinesische Kampfkunst (WingTsun). Ein ausgeklügelter und junger, dynamischer Kung-Fu-Stil - mit bis zu 20 Stunden Training in der Woche. WingTsun ist eine höchst wirksame, konkrete Form der Selbstverteidigung. Das lernt man nicht mal eben an ein oder zwei Wochenenden. Ich habe mich ins Training richtig reingesteigert und absolviere selbst gerade eine Berufsausbildung zum Trainer in der Bundesakademie für Kampfkunst. Damals zu Beginn habe ich mich gefragt, ob ich dadurch vielleicht selbst zum aggressiven Schläger werden könnte. Weil ich gespürt habe, dass man sich sehr verändert. Die Erfahrung bestätigt mir das, was ich eigentlich auch wollte: Ich bin durchs Training weder aggressiv geworden noch muss ich mir irgendwas auf der Straße beweisen. Schnelle Tritte, gleichzeitig abgegebene ansatzlose Fauststöße und wenn es darauf ankommt auch tödliche Handtechniken geben mir die Sicherheit, die ich brauche - und nicht etwa einen Freibrief zum Schlagen. Was man als Wing-Tsun-Mann seinem Meister gegenüber auch schriftlich versichern muss. Dass man nämlich die erlernten Techniken niemals einsetzt, um andere „aufzumischen“.«